Einsatz von Wasserstoff in der Stahlindustrie

Einsatz von Wasserstoff in der Stahlindustrie: Herausforderungen für feuerfeste Materialien und die Ergebnisse von Beck u. Kaltheuner

Mit der Revision des Bundesklimaschutzgesetzes vom 21. Juni 2024 wurde im Bundestag das Ziel der Klimaneutralität Deutschlands von 2050 auf das Jahr 2045 vorgezogen [1, 2]. Die Beschleunigung dieses ohnehin schon sehr ambitioniert anmutenden Vorhabens erhöht den Druck insbesondere auf die Stahlindustrie, die zu den Hauptemittenten von CO2 in der deutschen Industrie zählt. In den vergangenen Jahren wurden eine Vielzahl von Technologien zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie und zur Produktion von nachhaltigem „grünen“ Stahl vorgestellt und diskutiert. Dabei zählen Anlagen, in denen Wasserstoff als Reduktionsmittel eingesetzt wird, zu den erfolgversprechendsten Methoden (sowohl Direktreduktionsanlagen als auch adaptierte Hochofenprozesse). Der angestrebte Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel in diesen Anlagen wirft jedoch Fragen nach geeigneten und kosteneffizienten feuerfesten Materialien auf [3].


Verschiedene Studien beleuchten die Korrosionsbeständigkeit von Feuerfestmaterialien mit Al2O3-Gehalten zwischen ca. 40-99 % sowie von SiC-Materialien in Wasserstoff-haltigen Atmosphären im Temperaturbereich 1000-1500 °C [z. B. 3-8]. Dabei wurden unter anderem folgende grundlegende Zusammenhänge festgestellt:

  • → Ein hoher Korundanteil begünstigt die Korrosionsbeständigkeit gegen Angriff durch Wasserstoff.
  • → Mullit erweist sich nur teilweise als stabil. Die Stabilität hängt stark von den Prozessparametern ab.
  • → Glas- und SiO2-Phasen sind in einer Wasserstoff-reichen Atmosphäre thermodynamisch instabil und werden reduziert.
  • → Fremdoxide und Verunreinigungen haben einen großen Einfluss auf die Korrosionsbeständigkeit von Feuerfestmaterialien.
  • → Phosphat-haltige Feuerfestmaterialien sind bei höheren Temperaturen thermodynamisch instabil. Jedoch werden Phosphat-haltige Steine in der Praxis in Direktreduktionsanlagen bei Temperaturen von ca. 1000 °C erfolgreich eingesetzt.
  • → Die Temperatur spielt eine große Rolle für die Stabilität der verschiedenen Feuerfestmaterialien in Wasserstoff-reichen Atmosphären. Ab ca. 1100 °C und gleichzeitiger Anwesenheit von freiem Wasserstoff kommt es zu Materialverlust von Feuerfestmaterialien über die Gasphase.


Beck u. Kaltheuner hat die Korrosionsbeständigkeit von ausgewählten phosphat-gebundenen und SiC-haltigen  feuerfesten Materialien gegenüber einem Gemisch aus 10 % H2 und 90 % Ar bei Temperaturen zwischen 1100-1500 °C untersuchen lassen. Getestet wurden die phosphat-gebundenen Stampfmassen KORUDUR H 1 DS und KORUDUR H 0 DS sowie die SiC-haltige Shotcrete-Masse BEKAFIX VH 9 Shot. KORUDUR H 1 DS und KORUDUR H 0 DS werden seit Jahren erfolgreich in Decken und Wänden von Wärmebehandlungsöfen eingesetzt. BEKAFIX VH 9 Shot wurde stellvertretend für SiC-haltige Calciumaluminatzement-gebundene Feuerbetone ausgewählt, die in Kontakt mit reduzierenden Atmosphären stehen können.

Die Ergebnisse der Studie belegen die hohe Korrosionsbeständigkeit von Korund. In den Experimenten an den phosphat-gebundenen Proben wurde oberhalb von 1100 °C eine mit steigender Temperatur zunehmende Mobilisierung des Phosphors beobachtet. Der Korrosionsmechanismus ist dabei komplex und es wurde eine Anreicherung des Phosphors sowohl in der Gasphase als auch in Metall-Phosphor-Legierungen (z. B. Fe2P) nachgewiesen. Es zeigte sich, dass der Anteil dieser Legierungen mit steigendem Eisengehalt in den Proben zunimmt, was den Einfluss von Verunreinigungen auf das Korrosionsverhalten untermauert.  Auch wurde oberhalb von ca. 1300 °C eine zunehmende Reduktion von SiO2 zu gasförmigen SiO festgestellt, was dessen Instabilität gegenüber freiem Wasserstoff bei hohen Temperaturen betont.

In den Experimenten an den SiC-haltigen Proben wurde eine vergleichbare Mobilisierung des Siliziumcarbids in die Gasphase beobachtet. Die Erfahrung zeigt zwar, dass mit Hilfe von SiC die CO-Beständigkeit von Feuerfestmaterialien verbessert werden kann, jedoch ist dessen Einsatz in Hochtemperaturanlagen, in denen Wasserstoff frei in der Atmosphäre vorliegt, kritisch zu bewerten.

Durch den Einsatz von Wasserstoff in Hochtemperaturprozessen werden die Feuerfestmaterialien einem weiteren Verschleißmechanismus ausgesetzt. Die Haltbarkeit von feuerfesten Zustellungen kann sich verringern, wenn Wasserstoff frei in der Atmosphäre vorliegt und gleichzeitig hohe Temperaturen (ca. >1100 °C) herrschen. Alumina-reichere Materialien können diesen Bedingungen eher standhalten als Alumina-ärmere. Die Eignung eines feuerfesten Werkstoffs für den Einsatz in einem Aggregat mit einer Wasserstoff-Atmosphäre muss im Einzelfall geprüft werden, da der korrosive Angriff von weiteren Faktoren wie Temperatur, Zeit und Anwesenheit anderer gasförmiger Spezies abhängt.


Literatur 

[1] Website der Bundesregierung
[2] Website des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
[3] Stahl+Technik, Ausgabe 4 (2024); pp. 22-23
[4] Butt, D. P., Tressler, R. E., Spear, K. E. (1992): Corrosion of SiC Materials in N2–H2–CO Gaseous Environments: I, Thermodynamics and Kinetics of Reactions; J. Am. Ceram. Soc. 75 (12); pp. 3257-3267
[5] Leber, T., Madeo, S., Tonnesen, T., Telle, R. (2022): Corrosion of Bauxite-based Refractory Castables and Matrix Components in Hydrogen Containing Atmosphere; Int. J. Ceram. Eng. Sci. 4; pp.16-22
[6] Herbell, T. P., Eckel, A. J., Hull, D. R., Misra, A. K. (1990): Effect of Hydrogen on the Strength and Microstructure of Selected Ceramics; NASA Technical Memorandum 103674
[7] Leber, T., Kenn, D., Matt, F., Scheller, M., Tonnesen, T., Gonzales-Julian, J. (2024): Phosphate-bonded refractories in Hydrogen Containing Atmosphere; Open Ceramics 17
[8] Sperber, J., Duennes, F-J. (2023): H2-Change: Refractories Under Attack of Challenging Atmospheres During Transformation Process; UNITECR 2023 Proceedings

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